Seit C. auf der Welt ist, bin ich eine echte Spaziergängerin geworden. Notgedrungen musste ich bei Wind und Wetter vor die Tür, denn schlaftechnisch gesehen, bewirkte das bei C. wahre Wunder. Wenn nichts mehr half, half immer noch die frische Luft. Mit der Zeit hat sich bei uns auch eine ‚Runde‘ ergeben. Eine immer gleiche Strecke die wir gehen. Unser Weg führt durch eine Kleingartenanlage und mittlerweile kennen wir dort jedes Haus, jeden Baum, jede Blume und jeden Maschendrahtzaun in- und auswendig. Doch letztens ist mir etwas aufgefallen: die steigende Anzahl von Buddha-Statuen. Nicht in einem, zwei oder drei, sondern gleich in mehreren Vorgärten sind Buddha-Statuen zu finden. Mal lachend, mal liegend, mal mit dickem, nackten Bauch. Zwischen Bambussträuchern, eingebettet in einem Steinensemble oder thronend in der Mitte eines Teiches. Überall und in jeglicher Ausführung guckt mich plötzlich Buddha an. War das schon immer so? Ist das ein neuer Trend? Oder ist meine Nachbarschaft plötzlich geschlossen zum Buddhismus konvertiert?
Mir fällt ein, dass Buddha nicht nur in Vorgärten beliebt ist, sondern auch in Badezimmern. Und auch in meinem Familien- und Bekanntenkreis bin ich dem Erleuchteten auf dem stillen Örtchen schon oft begegnet. „…Fernöstlicher Flair…“, „…sorgt für Ruhe und Gelassenheit…“, „…Wohlfühloase…“ sind nur einige der Produktbeschreibungen, die mir in Onlineshops begegnet sind. Offline ist Buddha in Einrichtungsgeschäften, Dekoläden und Baumärkten zu finden. Man kann ihn fast überall kaufen. Und es sind nicht nur Statuen, sondern auch Kissen, Bilder, Tassen, Handyhülle und sogar Toilettenpapierhalter.
Warum ist Buddha hierzulande als Dekoartikel so beliebt?
Ich denke, es gibt mehrere Gründe dafür. Zum einen wirkt der Buddhismus faszinierend, aufgrund seines funkelnden, bunten und „exotischen“ Auftretens in Westeuropa. Ein komplettes Gegenteil zum altbekannten Christentum. Glaubenspraktiken wie Meditation und Yoga schaffen außerdem einen einfachen Zugang. Zum anderen erscheint der Buddhismus für viele sympathisch, weil er ohne einen Gott ist. Es gibt keinen der von oben sagt, was man zu tun oder zu lassen hat. Autonomie, im Hinblick auf Selbsterlösung durch Erleuchtung, hat einen hohen Stellenwert im Buddhismus. Im Vergleich zu anderen Religionen, bei denen die Gläubigen erlöst werden, passt der Buddhismus in diesem Punkt ganz besonders zum momentanen westlichen Zeitgeist. Denn hier steht das Individuum im Mittelpunkt. Optimierung, Verbesserung und Perfektion des Selbst sind zentral. Durch das Aufstellen von Deko-Buddhas holen sich Menschen ein Stück Selbstoptimierung ins Haus: etwas Religion, etwas „Exotisches“ und ein bisschen Frieden.
Im Westen ist seit Jahren eine zunehmende Beliebtheit fernöstlicher Religionen zu bemerken. Das ist nicht nur anhand der Deko-Buddhas festzustellen, sondern auch an den zahlreichen Yoga- und Meditationsangeboten. Tantra, Mandala und Karma sind vielen Menschen ein Begriff und längst in unsere Kultur-und Sprachraum eingezogen. Bei vielen herrscht hierzulande eine romantisierte Vorstellung vom Buddhismus. Einzelne Aspekte werden herausgenommen, wie Yoga, Meditation oder Karma und ohne Zusammenhang verwendet. Im schlimmsten Fall werden diese zweckentfremdet und dem westlichen Lebensstil angepasst. Bestes Beispiel: Deko-Buddhas. Dadurch wird die komplexe Glaubenslehre des Buddhismus herabgesetzt und die Religion wird zu einem „Lifestyle“.
Muss ich jetzt meine Buddha-Statuen aus dem Vorgarten entfernen?
Es geht mir nicht darum zu sagen, was „erlaubt“ ist und was nicht. Vielmehr möchte ich darauf aufmerksam machen, dass Buddha ein religiöses Symbol ist und als dieses auch von Buddhisten verwendet wird. Stellen sich Nicht-Buddhisten Buddha als bloße Dekoartikel in ihre Wohn- oder Arbeitsräume ist das Kulturelle Aneignung und wird mitunter von Buddhisten auch als herabsetzend und verletzend empfunden. Auch ich bin verletzt, wenn christliche Symbole als reine Dekoartikel herhalten müssen. Wenn sie Badezimmer und Vorgärten zieren und sich die Käufer der Bedeutungen und Religion nicht bewusst sind.
Interessanterweise würde sich keiner meiner Bekannten Jesus ins Badezimmer stellen. Dabei haben Buddha und Jesus viel gemeinsam: Jungfrauengeburt, „göttliche“ Erfahrungen, Gleichbehandlung aller Menschen, Konflikte aufgrund ihrer Lehre mit Obrigkeiten und vor allem ihre zentralen Botschaften von Gewaltlosigkeit und Gerechtigkeit. Etwas schmunzeln muss ich allerdings doch, als ich den Gedanken weiterspinne. „Schaffen Sie sich Ihre Wohlfühloase mit dem Gekreuzigten“ „Der Heilige Geist lädt zum Entspannen ein und verleiht ihrem Bad ein besonderes Ambiente“. Und ein lachender, dickbäuchiger Jesus darf dann im Vorgarten natürlich auch nicht fehlen.
Comments are closed.