Ich freue mich euch heute das vierte Interview meiner Interviewreihe „Wir unterrichten Religion“ vorstellen zu können. Mit meinem Blog möchte ich unter anderem den Religionsunterricht transparenter und zugänglicher machen. Oft begegne ich Menschen, die keine Vorstellung von modernem Religionsunterricht haben. Mit meiner Interviewreihe möchte ich Religionslehrer*innen vorstellen und dadurch den Religionsunterricht in all seinen Unterschieden, Facetten und seiner Aktualität präsentieren.
Diesemal habe ich Frau P. interviewt. Sie lebt und unterrichtet in Hamburg. An der Grundschule erteilt sie Religionsunterricht für alle, aber unter evangelischer Schirmherrschaft.
Hallo Frau P. Seit wann unterrichtest du?
Inklusive des Referendariats seit August 2014. Mit fast einem ganzen Jahr Unterbrechung, weil ich im vergangenen Schuljahr durch meine 2. Schwangerschaft ein Beschäftigungsverbot erhalten habe.
Wie und warum bist du Religionsehrer*in geworden?
Oh, das darf man eigentlich gar nicht sagen – es war zulassungsfrei. Da ich mich nur für den gesamten Studiengang (Erziehungswissenschaften plus 2 Fächer) bewerben konnte, musste ich eine sichere Variante wählen, um nicht für einen Teil und somit für den gesamten Studiengang abgelehnt zu werden. Meine eigentlich erste Wahl war Englisch, was in den Jahren zuvor immer einen relativ hohen NC gehabt hatte (rückblickend wäre ich mit meinem Abi von 2,2 locker eingekommen, aber das wusste ich ja vorher nicht). Also habe ich in der Liste geschaut, was mich a) interessiert und b) zu meinem anderen Fach Geschichte passt. So kam ich dann auf evangelische Religion. Ich wollte dann bei der ersten Möglichkeit wechseln, fand das Studium dann aber doch sehr interessant (auch wenn ich als konfessionslos und ungetauft wirklich ein Paradiesvogel war!) und bin dabei geblieben.
Wie wird der RU an deiner Schule angenommen? Wie ist er im Schulalltag eingebettet?
An meiner alten Schule wurde er recht stiefmütterlich behandelt. Die Fachkonferenz wurde ausgesetzt, die Fachleitung (die ich inne hatte) wurde mit 0,5 WAZ berechnet und galt lediglich der Instandhaltung des Materials, welches sich auf eine kleine Kiste, zwei Ordner und ca. 30 Kinderbibeln aus den 1970er Jahren bestand.
Zu diesem Schuljahr habe ich die Schule gewechselt. Ich habe dort wieder die Fachleitung Religion bekommen und habe mich schon wahnsinnig über die Menge an Material gefreut 🙂
Welche Unterrichtsstunde ist dir besonders im Gedächtnis geblieben? Und warum?
Ich erinnere mich an eine Stunde während des Referendariats. In einer 5. Klasse ging es in einer Stunde um das Thema Traurigkeit. Ich wusste, dass ein paar Schüler*innen sich wie immer auf den Unterricht einlassen und tolle Beiträge beisteuern würden, während die meisten Schüler*innen gelangweilt aus dem Fenster starren bzw. den Unterricht stören würden. Insbesondere ein Mädchen, das sich eigentlich viel zu cool für Reli fand, würde wieder versuchen, alles zu crashen.
Ich war total erstaunt, dass sie vor der gesamten Klasse, vor der sie ja das Gesicht der Coolen zu verlieren hatte, erzählte, wie sehr sie unter der Trennung ihrer Eltern litt. Ihre Klassenlehrerin selbst wusste nicht, wie traurig dieses Kind eigentlich war. Von der Stunde an störte sie meinen Unterricht nicht mehr und wir hatten eunen richtig guten Draht zueinander.
Auch wir Lehrer*innen machen mal Fehler und manchmal geht trotz Vorbereitung etwas schief. Wie bist du schon mal grandios gescheitert?
Schon mal? Ständig! 🙂 Wobei der Versuch, die gesamte Passionsgeschichte in eine Unterrichtsstunde zu quetschen, noch immer ihres gleichen sucht.
Was war der bisher lustigste Schüler*innenkommentar?
Nach einem Wahlpflichtkurs „Islam“ (9. Klasse) bat ich die Schüler*innen um eine anonyme schriftliche Evaluation. Auf die Frage, was ich hätte besser machen können, antworteten alle SuS „nichts“, denn der Kurs hätte ihnen richtig viel Spaß gemacht.
Welches Thema unterrichtest du gerne? Und gibt es ein Thema/ eine Geschichte, die du nicht gerne unterrichtest?
Ich unterrichte tatsächlich gerne „Sterben und Tod“. Warum, weiß ich gar nicht genau. Vielleicht, weil ich zu dem Thema einen sehr persönlichen Bezug habe (ich war bei meinem Vater, als er starb), vielleicht, weil Schüler*innen bei diesem Thema oftmals eine andere Seite von sich preisgeben und man sie besser kennenlernt. Außerdem gibt es zu dem Thema wirklich tolles, ansprechendes Material.
Nicht so gerne unterrichte ich Themen, die eher in den ethischen, fast schon sachkundlichen Teil fallen. Wahrscheinlich, weil man damit eben nicht so leicht die o. g. Ebene erreicht? Ich weiß es nicht genau.
Von wem würdest du gerne mal in Religion unterrichtet werden?
Von meinem Mentoren aus dem Referendariat. Er hatte nämlich seit 25 Jahren keinen Religionsunterricht mehr erteilt. Und letztmalig auch an einer Grundschule, ich habe mein Referendariat in der Sek 1 gemacht. Ich würde einfach gern sehen, ob er denn so einen grandiosen Religionsunterricht macht, wie er anderthalb Jahre lang behauptet hat 😉 Spaß beiseite.
Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.
Das möchte ich noch zum Ende sagen:
Der Religionsunterricht ist m. E. das einzige Fach, in dem man seine Schüler*innen auf einer anderen Ebene trifft. Nicht selten kennen Religionslehrer*innen die Kinder und was sie bewegt, besser als deren Klassenlehrer*innen. Und das, obwohl sie deutlich weniger Stunden in den Klassen unterrichten. Leider hat der Religionsunterricht oft ein angestaubtes Image und wird als „Laberfach“ abgetan. Hoffentlich sehen meine Schüler das etwas anders. 🙂
Vielen Dank für das Interview, liebe Frau P.