-Eine junge Religionslehrerin bloggt über Schule, ihre Familie und ihren Glauben-

Wir unterrichten Religion – Interview mit der Lehrerin von @Religion4You

Ich habe ein neues Interview geführt zu meiner Interviewserie „Wir unterrichten Religion“ – Diesemal habe ich die Lehrerin interviewt, die hinter dem Instagram-Projekt @religion4you steckt. Sie möchte anonym bleiben, in meinem Interview heißt sie deshalb Frau Wolf. Frau Wolf erteilt evangelischen Religionsunterricht in Berlin für die Klassenstufen 5 bis 10.


Hallo Frau Wolf! Seit wann unterrichtest du evangelische Religion?

Meinen ersten Arbeitstag hatte ich im August 2013. Die ersten vier Jahre unterrichtete ich an einem Gymnasium in Brandenburg, seit August 2017 bin ich in Berlin. Ich hätte es mir nie träumen lassen, aber jetzt unterrichte ich an der Schule, in der ich einst selbst Schülerin war.

Wie und warum bist du Religionsehrerin geworden? Als Kind interessierte mich schon immer das Unbekannte. Auf Reisen durch viele Länder und Kulturen stellte ich fest, dass Religion, Gott und Göttinnen in anderen Ländern zentrale Themen sind. Mit kindlicher Neugier beobachtete ich das Treiben in den Gotteshäusern dieser Welt. Ich stellte Menschen Fragen, bekam aber selten zufriedenstellende Antworten,
deswegen machte ich mich selbst auf die Suche. Schon immer hatte ich diesen Glauben an eine göttliche Macht und deshalb dauerte es nicht lange und ich ließ mich taufen. Bei meiner Familie väterlicherseits stieß ich auf wenig Verständnis, so waren zu meiner Taufe nur meine Großmutter und Mutter anwesend. Mein Glaube trug mich von nun an und da ich eine ewig
Lernende bin, entschloss ich mich, nach dem Abitur Theologie zu studieren. Nach einiger Zeit wurde mir bewusst, dass mein Herz für die Religionspädagogik schlägt und ich wechselte das Studienfach. Unter den Kommiliton*innen fand ich nur wenig Zuspruch. So hörte ich oft, dass jemand wie ich (äußerlich wie innerlich) nicht in das Bild einer typischen Theologie- bzw. Religionspädagogikstudentin passe.

Wie wird der RU an deiner Schule angenommen? Wie ist er im Schulalltag eingebettet? Der Religionsunterricht wird von den Schüler*innen gut angenommen. Einige Kolleg*innen waren anfänglich skeptisch. Offene Gespräche und Einblicke in den Rahmenlehrplan haben Vorurteile entkräftet. Ich unterrichte an einer offenen Ganztagsschule. Ab dem vierten Block, nach dem regulären Unterricht, biete ich den freiwilligen Religionsunterricht an. Des Weiteren gibt es im regulären Stundenplan Ethik-Kooperationen.

Welche Unterrichtsstunde ist dir besonders im Gedächtnis geblieben? Und warum?
Ich habe unglaublich viele und schöne Unterrichtsstunden und Exkursionen in meiner Erinnerung. Doch eine Zeit werde ich niemals vergessen. Sie hat Spuren hinterlassen. Es waren die Stunden und Wochen, nachdem meine Schüler*innen und ich erfahren haben dass sich ein Schüler aus der Unterrichtsgruppe suizidiert hat. Trauer, Wut, Ohnmacht und Schuldgefühle wechselten sich stündlich ab. Beruflich war dies meine schwierigste und herausforderndste Zeit.

Auch wir Lehrer*innen machen mal Fehler und manchmal geht trotz Vorbereitung etwas schief. Wie bist du schon mal grandios gescheitert? Ich würde es nicht „Scheitern“ nennen, sondern „auf Umwegen lernen“ und ich persönlich denke, ein*e gute Lehrer*in sollte neue Wege (eventuell auch mal Umwege) nicht scheuen.

Was war der bisher beste Kommentar deiner Schüler*innen? Ich merke mir Sprüche und Witze nur sehr selten, aber wenn meine Schülerinnen Kolleg*innen und mich nachahmen, amüsiert mich das sehr.

Welches Thema unterrichtest du gerne? Und gibt es ein Thema/ eine Geschichte, die du nicht gerne unterrichtest? Ich lege meinen Fokus darauf, biblische Geschichten interreligiös zu
vergleichen und zu deuten. Themen, die ich nicht gern unterrichte, gibt es nicht.

Von wem würdest du gerne mal in Religion unterrichtet werden?
Meine Liste mit religiösen Persönlichkeiten ist lang – von Abraham bis zum Dalai Lama, aber das Leben hat mich gelernt, dass wir in jedem Menschen, der uns begegnet, eine*n Lehrer*in im Guten wie im Bösen finden können.

Was möchtest du zum Ende noch sagen?
Neben Schüler*innen aus christlichen Elternhäusern unterrichte ich überwiegend Kinder und Jugendliche, die konfessionslos sind oder andere Religionen haben. Angesichts der wachsenden gesellschaftlichen Pluralität bietet der Religionsunterricht einen idealen Raum für die Überwindung von Vorurteilen und das sollte in der heutigen Zeit eine wichtige Aufgabe von Schule sein. Der Religionsunterricht ist meiner Meinung nach ein wahrer Segen für die gesamte Schulgemeinschaft.

Liebe Frau Wolf, vielen Dank für das Interview!