Ich freue mich euch heute das dritte Interview meiner Interviewreihe „Wir unterrichten Religion“ vorstellen zu können. Mit meinem Blog möchte ich unter anderem den Religionsunterricht transparenter und zugänglicher machen. Oft begegne ich Menschen, die keine Vorstellung von modernem Religionsunterricht haben. Mit meiner Interviewreihe möchte ich Religionslehrer*innen vorstellen und dadurch den Religionsunterricht in all seinen Unterschieden, Facetten und seiner Aktualität präsentieren.
Dieses Mal habe ich Elena Helmutsdottir interviewt. Sie ist Religionslehrerin in Hildesheim, Niedersachsen und gibt evangelischen Religionsunterricht nach konfessionell-kooperativen Modell an einer Berufsbildenden Schule. Ihr findet Elena auch bei Twitter und bei Instagram.
Hallo Elena! Seit wann unterrichtest du?
Das Referendariat habe ich im Mai 2016 begonnen, seitdem bin ich an meiner jetzigen Schule. Also etwas über drei Jahre jetzt.
Wie und warum bist du eigentlich Religionsehrer*in geworden?
Ganz ehrlich? Ein bisschen auch, weil es übrigblieb. Ich hatte mir vor dem Studienstart eine Liste gemacht – links die Fächer, bei denen ich mir vorstellen konnte, sie zu studieren und rechts die Fächer, bei denen ich mir vorstellen konnte, sie zu unterrichten. Auf beiden Seiten stand dann nur Politik, Religion und Geschichte. Mit Geschichte wird man an der BbS (Berufsbildende Schule) eh in Politik eingesetzt und überhaupt muss Politik jede*r unterrichten. Und dann dachte ich mir, dass ich es dann auch nicht zu studieren brauche… Aber natürlich war und ist da auch ein Interesse für das Fach Religion! Weil es so viel verbindet (auch politische und geschichtliche Themen), vor allem aber auch, weil er mir einen anderen Zugang zu meinen Schüler*innen ermöglicht. Ich bin im Religionsunterricht viel näher dran als in den Fachtheorie-Stunden.
Wie wird der Religionsunterricht an deiner Schule angenommen? Wie ist er im Schulalltag eingebettet?
Es werden natürlich nicht so viele Religionsstunden erteilt, wie man erteilen könnte… In den Teilzeit-Berufsschul-Klassen gibt es Religion nur in einem Beruf. Bei den Vollzeit-Schulformen sieht es schon etwas besser aus. Ich selbst bin in der Berufseinstiegsschule und der Berufsfachschule eingesetzt – sowie der Großteil der Religionslehrkräfte bei uns an der Schule.
Welche Unterrichtsstunde ist dir besonders im Gedächtnis geblieben? Und warum?
Die letzte des letzten Schuljahres! Ich hatte mit einer Klasse das Thema „Sterben, Tod und Trauer“ besprochen und zum Abschluss waren wir auf dem Friedhof. Es waren mehrere der Schüler*innen aktuell mit eigener Trauer beschäftigt – was ich aber nur zum Teil wusste. Der Besuch wurde entsprechend traurig und war mit vielen Tränen verbunden. Aber ich hatte das Gefühl, dass sich alle aus der Klasse sehr nah waren (und auch mir nah waren) und wir alle offen miteinander umgehen konnten. Für manche war es auch das erste Mal, dass sie über Gefühle im Zusammenhang mit dem Tod sprachen… Ich würde den Besuch des Friedhofs also trotz allem als positiv verbuchen.
Auch wir Lehrer*innen machen mal Fehler und manchmal geht trotz Vorbereitung etwas schief. Wie bist du schon mal grandios gescheitert?
Am Anfang meines Referendariats bin ich oft gescheitert. Ich habe wirklich einige Zeit gebraucht, bis ich mich in das Fach eingefunden hatte. Was auf jeden Fall öfter in die Hose ging, waren geplante Diskussionen – und dann hatten sich die Schüler*innen leider nicht so viel zu sagen. Und ich hatte kein Ersatz-Material dabei. Puh, das waren zähe Stunden!
Was war der bisher lustigste Schüler*innenkommentar?
Einen lustigen Kommentar habe ich nicht mehr im Kopf. Aber meine Lieblingsfrage war definitiv die eines (nicht christlichen) Schülers, der mich beim Besuch einer Kirche fragte: „Und das am Kreuz ist also wirklich Gottes Sohn? Hmmm… Warum hatte Gott nur einen Sohn und keine Tochter?“
Welches Thema unterrichtest du gerne? Und gibt es ein Thema/ eine Geschichte, die du nicht gerne unterrichtest?
Was ich wirklich sehr gerne mache ist die Lernsituation (Einheit) „Verantwortung für die Welt übernehmen“. Da fange ich an mit Schöpfung vs. Evolution und ende bei Fridays for Future. Dazwischen sprechen wir darüber, was an der Welt eigentlich so schön ist und
warum sie es so unbedingt wert ist, erhalten zu bleiben! Und ich habe so ein paar Einzelstunden, die ich gerne mache – zu verschiedenen Festen wie Weihnachten oder Holi. Bei uns kommt es öfter mal vor, dass zwischen Ferien und Praktika nur eine
Woche liegt, da lohnt kein großes Thema. Da mache ich dann immer so kleine Häppchen, die nach Möglichkeit auch einen Alltagsbezug haben. Und ich bringe gerne meinen Karton voller religiöser Dinge mit. Manches darin ist den Schüler*innen wohlbekannt, anderes finden sie faszinierend, aber
auf jeden Fall kommt es immer zu interessanten Gesprächen. Solch „reales Anschauungsmaterial“ in den Unterricht mitzubringen kann ich nur empfehlen. Was ich nicht gerne mache … Klassiker-Themen wie Schwangerschaftsabbruch oder Organspende binich ein wenig über. Vielleicht musste ich die in meiner eigenen Schulzeit schon zu oft besprechen.
Von wem würdest du gerne mal in Religion unterrichtet werden?
Ist es sehr fies, wenn ich jetzt meine Fachdidaktik-Dozenten aus der Uni nenne? Die haben immer so viel erzählt, wie wir Unterricht machen sollten. Ich würde gerne erleben, wie sie es selbst in der Realität machen. Ansonsten: Von Hanna Jacobs würde ich gerne manches lernen.
Das möchte ich noch zum Ende sagen:
Wer glaubt, dass man auf den Religionsunterricht im Schulleben verzichten könnte, der hat sich vielleicht noch nicht ausreichend mit diesem Fach beschäftigt. Und ich lade diese Menschen gerne mal in meinen Unterricht ein. Ich glaube nämlich, dass dieses Fach sehr viel leistet – für die Schüler*innen persönlich, in ihrer Entwicklung, aber auch die Klassengemeinschaften!
Vielen Dank für das Interview Elena!