Es ist Samstagmittag. Seit einigen Stunden sitze ich in einem Klassenraum, in dem ich fast nie unterrichte. Alleine, zwischen all den Plakaten, Objekten, Gegenständen und Büchern, die ich extra mitgebracht habe. Ich habe sogar vorher geputzt, gefegt, alte Kaugummis von den Tischen gekratzt und alles so hergerichtet, dass es einigermaßen nett und freundlich aussieht. Doch niemand kommt.
Durch die offene Tür höre ich aus der Ferne Gerede, Gelächter, etwas Musik – plötzlich einen Knall und dann Applaus. Das kam wahrscheinlich aus dem Chemieraum und war eines der präsentierten Experimente. Am Ende des Tages waren gerade einmal eine handvoll Menschen bei mir. Davon hatte sich die eine Hälfte verirrt und die andere wanderte schweigend durch den Raum, blätterte alibimäßig kurz in einem Buch und verließ ihn sobald ich auch nur mehr als „Guten Tag“ sagen konnte. Traurig und wütend verließ ich dann die Schule.
So sah vor vielen Jahren mein erster „Tag der offenen Tür“ als Religionslehrerin aus. Und ich hatte mir geschworen, dass es so nicht noch einmal werden sollte.
Warum der Tag der offene Tür viele Chancen für den Religionsunterricht bereit hält!
Der „Tag der offene Tür“ ist eine Veranstaltung die viele Schulen initiieren, damit schulfremde Personen einen Einblick in die Schule bekommen und sich über diese informieren können. In der Regel stellen sich alle Fächer, Arbeitsgemeinschaften und Projekte der Schule vor. Zum größten Teil kommen Kinder mit ihren Eltern an diesem Tag in die Schule, die diese eventuell später einmal besuchen wollen. Und manchmal sind auch einfach nur langjährige oder ehemalige Schüler*innen und Eltern dabei, die Lehrkräfte endlich mal persönlich kennenlernen oder wiedersehen möchten. Für den evangelischen Religionsunterricht ist der „Tag der offenen Tür“ eine große Chance Fragen zu beantworten, Vorurteile abzubauen, Transparenz zu schaffen und am allerwichtigsten – ihm ein Gesicht zu geben!
Was lief schief?
Lag es daran, dass ich den hintersten Raum im obersten Geschoss zur Verfügung bekommen hatte? Dass Religion als Fach in den Schulalltag nicht ganz integriert war? Dass Religion für Schüler*innen und Eltern an diesem Tag nicht interessant oder wichtig war? Lag es daran, dass ich falsch vorbereitet war? Oder dass ich zu hohe Erwartungen hatte?
Ich weiß es nicht. Sicherlich ist an allem etwas dran. Aber es ist schwierig festzustellen, woran es am Ende tatsächlich gelegen hat. Ich habe über die Jahre versucht alle Punkte, die damals vermeintlich schief gelaufen sind, nach meinen Möglichkeiten zu verändern.
Kooperation mit L-E-R
Der größte Unterschied zu damals ist sicherlich, mein Versuch den evangelischen Religionsunterricht an meiner Schule mehr in den Schulalltag zu integrieren. Insbesondere mit dem Fach L-E-R ist über die Jahre eine engere Kooperation entstanden. Exkursionen und Veranstaltungen unternehmen und besuchen wir oft gemeinsam, zu bestimmten Themen arbeiten wir parallel und gestalten Stunden zusammen, wir ziehen uns oder die Schüler*innen gegenseitig als „Expertinnen“ hinzu und stellen uns am „Tag der offenen Tür“ gemeinsam vor.
Gemeinsames Vorstellen am „Tag der offenen Tür“ – Geht das?
Am „Tag der offenen Tür“ präsentieren wir unsere Fächer gemeinsam in einem Raum. Auf der linken Seite hängt und liegt alles aus dem Religionsunterricht und auf der rechten Seite alles aus dem L-E-R-Unterricht (Plakate, Ausstellungsstücke, Poster, Bilder, Bücher etc..). Die Mitte des Raumes gestalten wir gemeinsam. Auf einem Tisch haben wir religiöse, moderne, alltägliche und sonderbare Gegenstände ausgestellt. Die Schüler*innen werden an diesem Tisch angehalten herauszufinden, welche Gegenständen mit dem Religionsunterricht und welche mit dem L-E-R-Unterricht zu tun haben. Einen Tisch weiter liegen verschiedenen Spiele aus, die zu beiden Fächern passen. An diesen Tisch können Kartenspiele, selbstgebastelte Brettspiele aus dem Unterricht und Ratespiele mit uns gespielt werden. Am letzten Tisch wird gebastelt. In diesem Jahr haben wir uns dafür entschieden, Friedenskerzen zu basteln. Außerdem wurden wir von freiwilligen Schüler*innen unterstützt, die momentan den L-E-R- oder den Religionsunterricht besuchen.
Welche Vorteile bietet das Kooperieren?
Ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung und auch von Kolleg*innen, dass der Religionsunterricht und das Fach L-E-R nicht immer wohlgesonnen beieinander, sondern manchmal leider fast feindlich gegenüber stehen. Das hat verschiedene Hintergründe und ist nicht immer zu ändern, aber es lohnt sich, sich immer wieder mit Offenheit zu begegnen. Für beide Fächer.
Speziell beim „Tag der offenen Tür“ kann durch das gemeinsame Vorstellen sehr gut auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten eingegangen werden. Das ist übrigens eine der häufigsten Fragen, die mir beim „Tag der offenen Tür“ begegnen. Für viele Schüler*innen und Eltern ist nämlich nicht auf Anhieb deutlich, was nun die beiden Fächer unterscheidet. Bei unserer gemeinsamen Vorstellung, konnten wir gut anhand unserer Materialien Themen und Inhalte erkennbar und greifbar machen und somit die Unterschiede und Gemeinsamkeiten gleich verdeutlichen. Ein weiterer Vorteil durch das gemeinsame Vorstellen ist, dass unsere Fächer dadurch einen größeren und stärkeren Raum in der Schulpräsentation einnehmen. Durch diesen Synergieeffekt werden sie nachhaltiger wahrgenommen und ihre Notwendigkeit und Wichtigkeit verzeichnet. Denn sie sind die Fächer, die sich mit den Lebensfragen aus dem Gestern, Heute und Morgen der Kinder und Jugendlichen befassen. Sie bieten auch eine der wenigen Möglichkeiten im schulischen Kontext Sorgen, Nöte, Fragen und Hoffnungen aufzufangen und zu begleiten.
Hängt nun alles von der Kooperation mit L-E-R ab?
Nein, ein erfolgreicher „Tag der offenen Tür“ hängt nicht alleine vom Kooperieren mit L-E-R ab.
In meinem Fall ist rückblickend sicher die über die Jahre gewachsene Integration des Religionsunterrichts in den allgemeinen Schulalltag ausschlaggebend gewesen. Dadurch, dass mein Fach von allen Seiten akzeptiert und unterstützt wird, hat sich auch Standing entwickeln können. Und ich muss gestehen, auch unser Raum an prominenter Stelle, hat in diesem Jahr für großen Zulauf gesorgt.
Der „Tag der offenen Tür“ in diesem Jahr
Ich schaue auf die Uhr. Es ist bereits mittags. Mein Magen knurrt. Ich bin immer noch nicht dazu gekommen, etwas, außer einem Frühstück, zu essen. Von einem Essensstand einer Klasse hole ich mir eine Waffel und denke daran, was am heutigen Tag schon alles passiert ist. Den ganzen Vormittag strömten neugierige Eltern und Kinder mit vielen Fragen in unseren Raum und wir hatten allerlei zu tun all diese zu beantworten. Es haben schon spannende Spiele und interessierte Gespräche stattgefunden.
Und als dann alles vorbei ist, die letzten Eltern gegangen sind und wir aufgeräumt haben, verlasse ich in diesem Jahr den „Tag der offenen Tür“ erschöpft, aber glücklich und zufrieden!