-Warum ich Religionslehrerin und Feministin bin-
„Ich brauche mal kurz vier starke Jungs die mir zwei Tische in die Aula tragen!“
So oder ähnlich habe ich diesen Satz schon viele Male in der Schule gehört. Als ich noch selbst Schülerin war, aber auch jetzt als Lehrerin. Und schon damals habe ich mir gedacht: „Hallo? Können das nicht auch Mädchen?“
Ich bin Religionslehrerin und Feministin. Und mir es wichtig, das gerade auch als Lehrerin zu betonen. In Situationen wie oben beschrieben, stelle ich aber immer wieder fest, dass Feminismus (noch) nicht im Bildungsbereich angekommen ist. Und genau dort, ist es doch wichtig anzusetzen. Denn Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Ein feministischer, gesellschaftlicher Wandel muss in Alltagssituationen und in der Schule beginnen.
Erst einmal vorne weg: Mädchen können Tische genauso gut in die Aula tragen wie Jungs. Und Maria aus der 8A trägt einen Tisch sogar alleine. Das wissen sicher auch meine Kolleg*innen, suchen aber trotzdem immer Jungs um Möbel zu verrücken. Jungs sind nicht per se stärker. Aber warum wird nicht einfach nach vier Schüler*innen gefragt? Oder nach vier freiwilligen Helfer*innen? In dieser schultypischen Situation zeigt sich das gesellschaftliche Ungleichgewicht zwischen Mädchen und Jungen, Frauen und Männern ganz deutlich.
So auch in diesem Beispiel aus meinem Schulalltag: der Potsdamer Sportwettkampf „Stärkster Schüler/Sportlichste Schülerin“. Bitte was? Mädchen können nicht stark sein, nur sportlich? Wieso heißt es nicht einfach „Potsdams stärkste Schüler*innen?“ Zudem ist an meiner Schule sogar der Sportunterricht zwischen Jungen und Mädchen getrennt, wie übrigens an vielen anderen Schulen auch. Die Jungs einer Klasse spielen im Sportunterricht verstärkt Sportarten wie Fußball, Volleyball oder Hockey, während die Mädchen eher in Gymnastik, Turnen oder Tanzen unterrichtet werden. Warum wird der Sportunterricht heute noch nach Geschlechtern getrennt? Ich finde diese Einteilung problematisch. Denn ich denke dabei gerade an die Schüler*innen die sich nicht fest in die Kategorien Junge/ Mädchen einteilen lassen wollen oder sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen. Und vor allem gibt es Mädchen die lieber Fußballball spielen und es gibt Jungs die lieber Tanzen. Wäre es nicht angebracht die Schüler*innen aus einem Angebot auswählen zu lassen? Oder die Sportart vorzugeben?
Und hier der dritte Punkt meiner Schulbeobachtungen: die Sprache. Geschlechtergerechte Sprache ist für viele Lehrer*innen ein Fremdwort oder ein Dorn im Auge. In Elternbriefen, Rundschreiben, Aushängen und allen anderen Schulschriftstücken wird das Gendersternchen konsequent ignoriert. Auch wenn es das Gendersternchen aktuell nicht in den Duden geschafft hat (leider!), ist es doch bereits Konsens geworden. Gerade Sprache ist ein „Werkzeug“ um Geschlechtergerechtigkeit aktiv mitzugestalten. Und wir Lehrer*innen sollten mit gerechtem Beispiel voran gehen!
Mir fehlt der Feminismus im Bildungsbereich. Nicht nur in den genannten Situationen oder im Schulalltag, sondern auch inhaltlich, als Thema im Unterricht. Und selbst wenn Lehrer*innen Feminismus als Thema in ihren Unterricht einfließen lassen wollten, gibt es wenig aktuelles Unterrichtsmaterial. In Schulbüchern und Rahmenlehrplänen sieht es ähnlich aus, ganz zu schweigen von umfassenden Fortbildungen für Lehrkräfte. Dabei ist Feminismus eines der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit, oder? Warum bewegt sich dann kaum etwas in diese Richtung?
Soweit, so nicht gut.
Und jetzt?
Ich werde weiterhin betonen, dass ich Religionslehrerin und Feministin bin, um Schüler*innen ein Vorbild im Kampf um Geschlechtergerechtigkeit zu sein. Ich werde versuchen Situationen entgegenzuwirken, in denen Schüler*innen aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt oder ausgeschlossen werden und werde feministische Themen im Unterricht und Kollegium zur Sprache bringen.
Denn das Ziel von Bildung sollte nicht nur Wissensvermittlung sein, sondern Schüler*innen zum Handeln befähigen.
Macht mit!