-Eine junge Religionslehrerin bloggt über Schule, ihre Familie und ihren Glauben-

#5 Wo wohnt eigentlich Gott?

„Wenn Gott in der Kirche wohnt, hat er aber ganz schön viele Häuser!“

In unserem Urlaub bin ich einem Spruch begegnet, der über dem Eingang einer alten Kirche geschrieben steht. „C’est ici la maison de Dieu et la porte du Ciel / Dies ist das Haus Gottes und das Tor zum Himmel.“ Die Kirche ist das Haus Gottes – Ist sie das? Ich erinnere mich an eine Situation mit einem Grundschüler, der bei einem Ausflug zu einer Kirche fragte: „Wohnt da Gott?“ Als ich gerade antworten wollte, fügte er hinzu: „Dann hat er aber ganz schön viele Häuser!“ Eigentlich gar nicht so falsch gedacht.

Oft gerate ich bei diesen augenscheinlich einfachen Kinderfragen ins Straucheln. Auch diese Frage hat es ganz schön in sich. Ihr Kern lautet nämlich: Wo ist Gott? Diese Frage mal eben so zu beantworten ist schwierig; Schließlich machen sich Theologen, Philosophen, Christen und Menschen jeden Alters und Herkunft seit Jahrhunderten dazu Gedanken. Und es gibt nicht diese eine Antwort darauf, denn die Antworten darauf sind wohl so vielfältig, wie die Menschen. „Gott wohnt im Himmel!“, rief damals eine Mitschülerin dem fragenden Jungen zu. „Oder meinst du etwa, er öffnet dir gleich persönlich die Tür?“, ergänzte sie energisch. Als ich antworten wollte, fiel mir die Klassensprecherin ins Wort: „Gott wohnt überall, ihr Dummies.“ Um die Konversation zu befrieden, beendete ich sie mit den Worten: „Gott wohnt in der Kirche, im Himmel, und ist überall gleichzeitig. Er ist in allen Dingen und alle Dinge sind in ihm und durch ihn. Aber das erkläre ich euch später genauer.“ Das musste ich auch, denn das anfänglich zustimmende Kopfnicken zu meiner Aussage veränderte sich nach und nach in verdutztes Innehalten der gesamten Religionsgruppe.

Warum bezeichnen wir also Kirchen als Häuser Gottes? Ist Gott nur in der Kirche anzutreffen? Nein, ist er nicht. Und doch bleibt es ein Ort für Viele, um Gott zu begegnen. Wieso ist das so?

Zu alttestamentlichen Zeiten gab es noch keine Kirchen. Mit der Bundeslade versicherten sich die Israeliten die Gegenwart Gottes. Die Bundeslade war eine verzierte Truhe, welche unteranderem die Steintafeln der Zehn Gebote beinhaltete. Das Volk der Israeliten nahm die Bundeslade mit auf ihren jahrzehntelangen Exodus. Infolge dessen wurde ein transportables Zelt, die Stiftshütte, zu einem festen Begegnungsort mit Gott auf ihrer Reise. Erst König Salomon errichtete für Gott einen Tempel an einem festen Ort. Besonders spannend finde ich in diesem Zusammenhang die Geschichte von David und seinem Wunsch, Gott ein Haus zu bauen. Gott antwortet auf Davids Wunsch, dass er kein Haus benötige, denn er sei überall da, wo David ist. Gott selbst braucht also gar kein Haus. Er ist sowieso immer bei uns. Sind also vielleicht wir die, die es brauchen?
Im Matthäus Evangelium steht der bekannte Satz: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Ich denke, dass Gott uns vor allem im Zusammensein untereinander begegnet. Nicht das Gebäude alleine schafft die Anwesenheit Gottes, sondern die Gläubigen in ihm. Gott wohnt meiner Auffassung nach nicht an einem speziellen Ort. Wir Menschen aber, können oft gar nicht anders, als Dinge zu personifizieren und ihnen bestimmte Orte zuzuordnen. Ich verstehe Gott nicht als ein Teil unserer Welt, sondern die Welt als ein Teil Gottes. Und überall wo wir sind, ist auch Gott. Erst wir machen die Kirche zum Haus Gottes.

Die Frage meines Schülers zwischen Tür und Angel zu beantworten ist schwierig. Aber sie später im Unterricht aufzugreifen, lohnt sich. Dem Argument dieses Thema sei zu schwer für Kinder kann ich nicht zustimmen. Theologisieren und philosophieren können auch Kinder! Es ist wichtig, sie bei ihren Fragen zum Weltverständnis zu begleiten und zu unterstützen.
Hinter der Frage „Wo ist Gott?“ steckt nämlich auch eine Suche nach Gott.
Und es lohnt sich, sich gemeinsam mit Kindern auf diese Suche zu begeben. Fangen wir also in der Kirche an!